Streufaktor, der – von Splitterbomben und Lenkraketen.

von | Mai 9, 2019 | Branding, Grundlagen, Praxis, Werbung | 2 Kommentare

 

 

Frankfurt Hauptbahnhof, Gleis 12, Baustoff Kramer aus Buxtehude und Coca Cola machen auf sich aufmerksam. Dass da etwas nicht stimmt, merkt man sofort, aber was ist das?

Je größer deine Zielgruppe ist, also je mehr Gruppen, Schichten, Klassen, Subkulturen einer Gesellschaft sie umfasst, desto Reichweitenstärker sollte das Medium sein, mit dem du Sie zu erreichen versuchst. Sollte man meinen. Baustoff Kramer sah das anders und ließ auf mehreren Plakaten an prominenter Stelle ganz Frankfurt wissen, dass vor ihrem Geschäft manchmal auch Autos parken. Spaß beiseite, warum macht Außenwerbung für Coke Sinn und für den spezialisierten Einzelhandel nicht?

David Butler, mittlerweile Head of Innovations bei Coca Cola gab Debbie Millman ein Interview in dem er, neben ein paar anderen Klugen und ein paar schockierend nazistisch-überheblichen Dingen den Kundenkreis von Coca Cola beschrieb und die dazu passende Media-Strategie:

Das Gespräch drehte sich gerade um die Verbindung von der Geschichte einer Firma zum Brand Design und wie man aus der Geschichte und ein paar Mythen eine Identität erschaffen kann, die das Gefühl von Zugehörigkeit beim Kunden erzeugen kann. Darum, dass Latinos in den USA eher zu Pepsi tendieren und Coca Cola mit der weißen Mittelschicht assoziiert wird, als Butler sagte, dass jede Firma eine Fanbase braucht, doch dass der durchschnittliche Kunde, also der, der den größten Teil am Umsatz macht, nicht der Coke-Hardcore-Fan ist, der täglich Coke trinkt, sondern der Joe Average, der alle zwei Wochen eine Coke irgendwo bestellt oder kauft. Das klingt nach einem geringen Verbrauch, doch die Bevölkerung der „westlichen“ Industriestaaten, multipliziert mit alle zwei Wochen eine Coke macht genug Business um eine Lieferwagen-Flotte zu rechtfertigen, die größer ist als die von DHL und UPS zusammen (eigene Angabe #Angeber). Dazu passend sei die Aufgabe diese Zielgruppe (nämlich ALLE!) jeden Tag daran zu erinnern, mal wieder eine Coke zu trinken, relativ einfach. Die Mediawahl ist simpel. Alles, was Reichweite bringt, ist geeignet um diese Erinnerung aus zu senden. Konkret bedeutet das TV, Print und Außenwerbung. Zusätzlich bespielt man einfach alle Kanäle, aber wirklich relevant sind die, wo man die meisten Menschen erreicht, weil wirklich JEDER zur Zielgruppe gehört. Der Content begnügt sich mit dem Aufbau einer Brand-Identity durch Mood-Boards also Bilder, die sich unterschwellig abstrakt in den Köpfen der Menschen zusammensetzen wie ein Mosaik, das sich langsam Aufbaut.

Jetzt zu Baustoffe Kramer. Die Zielgruppe von Läden oder Firmen, wie dieser sind nicht alle Menschen einer Gesellschaft, sondern immer nur temporär oder strukturell vereinzelte Gruppen. Temporär, weil jemand, der etwas bauen möchte, zum Zeitpunkt der Suche nach einem Lieferanten von einem Baustoffhandel angesprochen werden muss und strukturell, weil ein Handwerksbetrieb, der immer auf der Suche nach zusätzlichen Lieferanten ist, ebenfalls an Kontakt interessiert sein könnte. Diese Kontakte heißen das Leads, also Potentielle Kunden die es gezielt an zu sprechen gilt. Das kennt man Online zum Beispiel aus der personalisierten Bannerwerbung, wenn man, hat man einmal „4K Laser Beamer“ gegoogelt, auf allen Seiten wochenlang Beamer angeboten bekommt. Offline funktioniert das natürlich nicht so zielgenau. Der Baustoffhandel muss sich in diesem Fall fragen, wo Kunden wohl am ehesten anfangen nach einem Baustoffhandel zu suchen und sie ggf. fragen oder verschiedene Kanäle durchprobieren, bis man einen gefunden hat, der funktioniert. Google Ads, eine vollständige Online Präsenz, die Zeigt wo man ist und was man macht und ganz klassisch Gelbe Seiten, wären da ein Anfang. Jedoch NICHT! Plakate am Hauptbanhof FFM, noch dazu an einem Gleis, an dem Züge abfahren, die nicht mal in die Region der Zielgruppe fahren, sonst wäre die Idee ja noch nach zu vollziehen.

Eine Ausnahme für die Regel der mit der Größe der Zielgruppe proportional steigende Reichweite des Mediums bilden Premium-Produkte mit Radiationseffekt auf die mittleren und unteren Produktlinien einer Make. Zwei Beispiele:

Der Mercedes AMG Spot bei Youtube

Zwei Dinge sind hier für die AMG GT Kampagne Relevant: erstens strahlt der Ruhm des AMG GT auf die anderen Produktlinien ab und zweitens muss der Rest der Bevölkerung darüber informiert werden, was für ein Auto da die Straße entlang rollt, wie soll man es sonst erkennen? Dieser Radiationseffekt wird in fast allen Branchen genutzt. Mal wird günstige Mode aufgewertet, indem man sie im Laden auf die gleiche weise inszeniert, wie teure Mode, mal wird ein Produkt beworben, das ganz klar Premium ist, um andere Produkte der gleichen Marke mit den Ideen und Bildern des Premium Produktes auf zu laden und zu verkaufen. Wie hier:

Weberhaus ist einer der großen Fertighausanbieter in Deutschland. Sie bieten ein breites Spektrum an Standards und Preislagen an. Von der Horst Köhler Vorort-Hütte bis hin zu den modernen Villen ist alles dabei. 95% des Umsatzes entfallen dabei auf das untere und mittlere Preissegment. Beworben werden aber nur die Villen, die machen sich besser in Magazinen und verorten den Konzern Feld der Anbieter in Premium Segment, der auch günstiges anbietet.

Und das ist das beste, was einer Marke passieren kann. Von den Kunden als Premium wahrgenommen und in einem Markt der gleichen Angebote und Preise dadurch einen Wettbewerbsvorteil gewinnen. Bam!

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