Fair-Kackt! Die UEFA – alte, weiße Männer und die Antwort auf eine große Frage

von | Jul 12, 2021 | Branding, Gesellschaft, Grundlagen, Krisenkommunikation, Praxis, Sprache | 0 Kommentare

Als ich neulich mit einem Freund über die Allianz-Arena gesprochen habe und darüber, dass die UEFA sie nicht im Regenbogen erstrahlen lassen möchte, hat er mich nur verwundert angeschaut und gefragt, wie ich davon überrascht sein kann.

Die UEFA hat im letzten Jahr genug Anlass zur Kritik geboten, nicht zuletzt durch ihren Umgang mit der Super-League Krise. In den letzten Wochen hat Sie sich jedoch zum Gespött der Leute gemacht. Wobei ich der Korrektheit hinzufügen muss nicht aller Europäer. Diejenigen, die eine aus falscher Toleranz geduldete, schamlose Zurschaustellung einer gottlosen, unnatürlichen, abartigen oder perversen Lebensweise ohnehin leid sind, sehen in den Entscheidungen der UEFA aktuell wahrscheinlich einen Beitrag zu einer besseren Welt und die indifferenten, die mit Ihren eigenen Problemen ja schließlich auch niemandem zur Last fallen wollen und das gleiche auch von Anderen verlangen, finden die ganze Aufmerksamkeits-Hascherei der LGBQI Szene wahrscheinlich eine Zumutung. Von denen hat die UEFA keine Kritik zu befürchten.

Der Rest der Gesellschaft fragt sich, wie man eine Stadionbeleuchtung nach dem Wunsch der absoluten Mehrheit des Landes mit dem Hinweis auf die eigene politische Neutralität nicht in Regenbogenfarben erstrahlen lassen kann. Der Fußball hatte in der Vergangenheit immer wieder Probleme mit rechten und neu-rechten Strömungen innerhalb und außerhalb der Klubs und da kenne ich mich jetzt nicht genug aus um ins Detail zu gehen, doch als Frankfurter bin ich wirklich stolz auf unseren fast schon linken Verein, die Eintracht.

Es gab immer wieder Probleme mit Rassismus oder homophoben Angriffen auf Spieler oder Zuschauer, mit denen jeder Verein seinen eigenen Umgang finden musste, doch dass ein ganzer Verband in einer solchen Sache, mit einer solchen Macht auf einer solchen Ebene, komplett einknicken würde und sich im Schockzustand in Embryonalhaltung auf dem Boden legen und die Sachen aussitzen oder ausliegen wollen würde, hat mich überrascht. Die alten weißen Männer der UEFA haben offensichtlich die dringenden Bitten ihrer PR-Leute in den Wind geschlagen und die Quittung dafür kassiert. Eine komplett in Schutt und Asche liegende Marke.

Ein paar Tage nach dem München Spiel dann haben sie wohl gemerkt, dass die fehlende Konfliktunfähigkeit vielleicht teuer werden würde und dann doch Flagge gehisst. Leider völlig unglaubwürdig und viel zu spät. Ich hatte es in LinkedIn in der Timeline. Es war schön zu sehen, wie Sie mit dieser anbiedernden Aktion baden gehen. Zur Erklärung: Bei LinkedIn zünden Firmen und Personen gerne mal Testballons mit Kommunikationsmaßnahmen, die Sie erst mal „nur im kleinen Kreis“ ausprobieren wollen um ein erstes neutralen Feedback zu bekommen. Hier war das Feedback eindeutig. die UEFA hat dort knapp 270tsd. Follower, eine beachtliche Zahl, von denen ließen sich etwa 900 zu einem teils sehr deutlichen Kommentar hinreißen.

Der Schaden ist gemacht und kann nicht ungeschehen gemacht werden. Was man machen kann ist die Marke neu aufbauen. Doch wie macht man das ohne sich die Blöße zu geben, eingeknickt zu sein?

Antwort: Entwaffnend menschlich werden. Hier unsere Stellungnahme, zu der wir der UEFA geraten hätten:

Hallo Welt,

wir sind´s, die UEFA. In den letzten Tagen ist viel gesagt und noch viel mehr geschrieben worden über unsere Entscheidung die Allianz-Arena nicht in den Regenbogenfarben erleuchten zu lassen und damit Viktor Orban (und allen homophoben Bewunderern) den Stinkefinger zu zeigen. 

Ob uns im nachhinein diese Entscheidung leid tut oder nicht können wir nicht beantworten, denn das Thema wurde hier bei uns kontrovers diskutiert. Wir können euch nur ein paar Gedanken dazu aufzeigen, die uns letztlich zu der Entscheidung geführt haben es nicht zu tun.

1. Prämisse. Homophobie ist Scheisse! Jeder sollte lieben, wen er/sie will und sich ausleben können. Das gleiche gilt für alle anderen Engstirnigkeiten, wie z.B. Rassismus, mit dem wir im Fußball riesige Probleme haben, das wissen wir, wir arbeiten daran, promise!

2. Fußball ist unpolitisch. Das ist natürlich quatsch! Es wäre schön, wenn es so wäre, doch solange man vor manchen Begegnungen die Sicherheitsvorkehrungen massiv hochfahren muss, weil sich die Nationen die aufeinandertreffen nicht grün sind und die Fans die Spannungen mit ins Stadion nehmen ist Fußball politisch. Punkt.

3. Ein Stadion ist kein Parlament. Die UEFA sieht das Problem des wachsenden Rechtspopulismus in Europa mit zunehmender Sorge und ist sich der Lage der Queer-People in Ungarn durchaus bewusst, doch von der UEFA zu verlangen diese Probleme an zu gehen ist zu viel verlangt. Wir organisieren den europäischen Fußball und die EM und haben damit alle Hände voll zu tun. Wenn die Bevölkerung der EU der EU-Kommission das Mandat gibt, halten wir Sanktionen bis hin zum EU-Ausschluss-Verfahren für nicht unangebracht, darauf konnten wir uns intern verständigen.

4. gegenseitiger Respekt. Wie erwähnt, organisieren wir Fußball. Nicht mehr und nicht weniger. Wir setzen uns gegen Rassismus und Homophobie ein und tun was wir können um die Welt zu einem besseren (Fußballverrückten) Ort zu machen. Die Ungarische Mannschaft war hier, um Fußball zu spielen und Sie hat ein Recht darauf, willkommen geheißen und nicht am Nasenring durch das Stadion geführt zu werden. Die Politik von Staaten sind eine Sache, die Leistung Ihrer Sportler eine Andere. So kommt es in internationalen Wettkämpfen z.B. regelmäßig vor, dass sich Athleten aus arabischen Ländern weigern, gegen Israelis an zu treten. Das ist völlig inakzeptabel. Hier hat weder die antisemitische Motivation der Absage noch die Vermischung von Politik und Sport etwas im Wettkampf verloren.

5. Tut uns leid. Klar hätten wir das Stadion an dem Abend regenbogenfarben erleuchten können und es vielleicht auch tun sollen (es wäre schon ein starkes Signal gewesen). Doch die Erwägungen und unsere Verantwortung als Ausrichter der EM erlauben uns nicht die Einmischung in die nationale Politik der teilnehmenden Staaten. Welche Haltung nimmt man da ein? Wie weit will man da gehen? Wie steht´s um den Zeitgeist in 10Jahren? Uns jedenfalls tut die aktuelle Entwicklung leid und wir können nur an alle Menschen appellieren sich jeden Tag für mehr Toleranz und Offenheit ein zu setzen. Im Umgang mit anderen und ganz besonders in der ganz eigenen inneren Gedankenwelt. Wir werden das tun.

liebe Grüße 

Eure UEFA

So in etwa hätte das ausgesehen und wir glauben das hätte a)funktioniert weil es b)kein Bullshit gewesen wäre. Man wäre bei der Erklärung eng am Diskurs geblieben, hätte die einzelnen Positionen gegeneinander abgewogen und hätte dann seine Position begründet und wer will da denn jemandem seine Meinung verbieten? Wo sind wir denn hier? Doch nicht etwa in einem autoritären, intoleranten System, zwinker zwinker…

 

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